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Japan ist bekannt für seine Ästhetik, seine lange zurückreichenden Bräuche und Philosophien. Kintsugi ist eine davon. Ursprünglich handelt es sich dabei um eine japanische Tradition, die sich damit beschäftigt, versehentlich zerschlagene Keramik wieder zu reparieren.

Wenn eine Vase zerbricht, dann wird diese nicht einfach weggeworfen. Stattdessen werden die Teile aufwendig zusammengeklebt und die Bruchstellen mit Gold veredelt. Diese Methode verleiht dem Objekt nicht nur ein zweites Leben, sondern gleichzeitig auch eine ganz besondere Schönheit und zeigt Wertschätzung. Aus einem alten Keramikgefäß wird ein neues Kunstwerk, das noch wertvoller ist und seine Vergangenheit würdigt.

Die Grundideen dieser Philosophie lassen sich auch auf unser Leben anwenden. Sie zeigt uns die Schönheit unseres Lebens fernab von Perfektion und Leistungsorientierung.

In meinem heutigen Blogbeitrag zeige ich dir wie du mithilfe von Kintsugi zu mehr innerer Ruhe findest und dich selber anerkennen und wertschätzen kannst – mit all deinen Ecken, Kanten und Unzulänglichkeiten.

Weg vom Perfektionismus – feiere dein Scheitern

Soziale Netzwerke wie Instagram, Facebook und Co. sind seit Jahren fester Bestandteil unseres Alltags. Fast jeder von uns ist regelmäßig auf einer dieser Plattformen unterwegs.

Social Media spiegelt jedoch eine verfälschte Realität wider. Das Leben der anderen erscheint im Netz oftmals perfekt und man bekommt den Eindruck, dass all diese Menschen genau das erreicht haben, worauf wir möglicherweise unser ganzes Leben lang hoffen. Wir neigen dazu von der perfekten Beziehung, einem Traumjob und einer glücklichen Familie zu träumen und diesen Vorstellungen hinterher zu rennen, doch unsere Realität und die Realität der „Selbstdarsteller“ sieht meist ganz anders aus. Das unaufhörliche Hetzen nach Glück und Perfektion führt zu einer tiefen inneren Unzufriedenheit und Ruhelosigkeit. Es führt zu einer Abwertung von sich und von der Umwelt.

Denn über Niederlagen und Verletzungen wird ungern gesprochen.

Was wäre, wenn wir in einer Welt leben würden, die weniger geprägt wäre von Perfektionismus und Leistungsorientierung, sondern in der wir stolz sein könnten auf unsere Unvollkommenheit und auf unser Leben, so wie es ist.
Wenn wir stolz wären auf die Krisen, die wir schon gemeistert haben.

Dann wären wir viel entspannter, könnten viel mehr genießen. Wir würden viel mehr das anerkennen, was uns gelingt. Denn wir sind alle ein Wunderwerk!
Genau dafür kann dich die Philosophie von Kintsugi inspirieren.

Der Kerngedanke ist, dass wir nicht wertvoll sind trotz unserer Schwächen und Brüche, sondern genau AUFGRUND dieser.

Das bedeutet Kintsugi für unseren Alltag

In unserer schnelllebigen Welt wird den Dingen kaum noch Wert beigemessen. Gehen Sachen kaputt, dann werden sie – ohne lange zu überlegen – einfach weggeworfen. Der Glanz des Neuen ist so verlockend und wir ziehen es vor zu ersetzen, anstatt Probleme zu lösen oder neue Wege zu gehen. Anstatt anzukommen, befinden wir uns auf der unaufhörlichen Suche nach Perfektion….

„Wenn ich studiert habe, dann…!“
„Wenn ich Führungskraft bin, dann….!“
„Wenn ich ein Haus gekauft habe, dann…!“
„Wenn ich den Marathon gewonnen habe, dann…!“
„Wenn ich eine Familie habe, dann…!“
„Wenn ich meine erste Million habe, dann….!“

Du kannst alle Sätze beenden mit „…dann bin ich erfolgreich, wertvoll und richtig!“
Die „wenn dann-Falle“ sehe ich als größte Gefahr, nie im Hier und Jetzt zu sein, sich ein Leben lang falsch zu machen und sich die ganze Zeit zu bewerten. Genau das produziert so viel Unzufriedenheit, Stress und möglicherweise auch Burn-out.

Die Grundideen von Kintsugi können dich dabei unterstützen, eine neue Sicht auf dein Leben und deinen Alltag zu bekommen und die Schönheit zu entdecken, die bereits da ist. Die Frage ist, wie du auf dich und auf dein Leben schaust und welche Geschichten du dir erzählst.

Sind es stärkende Narrative? Oder sind es möglichweise auch schwächende „Wenn-Dann-Geschichten“?

Grundgedanken, die du auf deinen Alltag anwenden kannst…

Akzeptiere deine Vergangenheit

Die japanische Philosophie lehrt die Vergangenheit zu akzeptieren und uns mit ihr zu versöhnen. Sie ist Teil unserer Geschichte und hat uns zu der Person geformt, die wir heute sind. Auch wenn es Dinge gibt, die vielleicht nicht nach deinem Wunsch geschehen sind, haben diese dazu beigetragen, dass du heute um viele Erfahrungen reicher bist. Genau durch diese Erfahrungen bist du die einzigartige Person geworden, die du heute bist. Du bist perfekt!

Stehe zu deinen Irrtümern

Manchmal treffen wir falsche Entscheidungen oder es passieren Fehler. Entscheidend ist, wie du mit ihnen umgehst. Kintsugi lehrt, zu unseren Fehlern zu stehen – statt sie krampfhaft zu kaschieren – und sie als wichtiger Teil von uns zu akzeptieren, denn ohne sie gäbe es keinen Fortschritt oder Innovation. Sich verletzlich zu zeigen ist eine große Stärke und macht dich genau zu der Persönlichkeit, die du bist.

Bleibe hartnäckig

Vertraue auf dich selbst und stelle dich deiner Realität mit all deinen inneren Stärken, ohne Angst vor dem Versagen zu haben. Nicht alles muss beim ersten Anlauf funktionieren und das ist ganz normal. Konzentriere dich nicht darauf, wie lange du brauchst, um etwas zu erreichen, sondern sei stolz darauf, dass du – trotz Hindernissen – an dein Ziel gelangst.

Geduld als Schlüssel zum Erfolg

Für Kintsugi ist Geduld notwendig. Die Wiederherstellung gebrochener Keramik geschieht in verschiedenen Phasen. Das Gefäß muss immer wieder ruhen bis es schlussendlich seine neue Pracht entfaltet. Ähnlich verhält es sich auch mit Veränderungen. Sie kommen nicht von einem Tag auf den anderen, sondern geschehen in Abschnitten.

Verstecke Zerbrochenes nicht

Narben prägen uns. Das Leben besteht aus Höhen und Tiefen und jeder Rückschlag macht uns stärker. Wandle Leid in Erfahrung um und sei stolz auf jedes Hindernis, das du bereits erfolgreich überwunden hast. Dein Leben ist eine spannende Reise mit Hürden, die du immer wieder meisterst.
– Welche Geschichten kannst du über dein Leben erzählen?
– Wann hast du gehadert, warst verzweifelt und bist trotzdem mutig weiter gegangen?
– Diese Beschreibungen können wiederum andere ermutigen.
– Erzähle deine Geschichten weiter!

Kintsugi im Recruiting-Prozess

Perfektionismus spielt auch im beruflichen Kontext eine große Rolle. Zum Beispiel gerade im Bewerbungsprozess wird großer Wert auf einen makellosen Lebenslauf, einen lückenlosen Werdegang und vorbildliche Qualifikationen gelegt.

Abweichungen vom Idealbild werden von vielen Unternehmen als weniger wertvoll bewertet, doch mit der Realität hat das wenig zu tun. Außer dass aus diesem Grund viele Lebensläufe „aufgehübscht“ werden.
Zeugnisse und Auszeichnungen sagen wenig über unsere tatsächlichen Fähigkeiten und unser Engagement aus.

Vor allem in einer Zeit, in der wir Mitarbeiter:innen und Führungskräfte mit den Kompetenzen Veränderungsfähigkeit und Kreativität benötigen, um die derzeitigen Herausforderungen zu meistern.

Im Laufe unseres Lebens verändern sich unsere Interessen und falsche oder ungünstige Entscheidungen machen uns genau zu der Person, die wir heute sind.

Ein abweichender Lebenslauf bedeutet nicht, dass jemand nicht weiß, was er oder sie möchte, sondern zeugt von vielseitigem Interesse, anderen Denk- und Vorgehensweisen.
Personen, die von der Norm abweichen, sind oftmals erfahrener, kreativer und lösungsorientierter und stellen eine große Bereicherung für ein Team oder das Unternehmen dar.

Gerade jetzt ist es eine große Chance, die eigenen Vorurteile „wie ein Mitarbeiter:in zu sein hat“ zu entlarven und die Teams diverser aufzustellen.
Damit neue Lösungen und neue Wege in dieser Krisenzeit möglich sind.

Foto: Marco Montalti / shutterstock.com